Rechtsanwalt | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Das Oberlandesgericht Braunschweig führt nun das Verfahren der Musterfeststellungsklage, erhebt ggfs. Beweise und informiert durch Veröffentlichung im Klageregister über den Ausgang des Falls.
Am Ende kommt es zu einem Urteil oder einem Vergleich. An einem möglichen Vergleich können sich alle beteiligen, die ihre Ansprüche im Klageregister angemeldet haben. Wer einem angebotenen Vergleich nicht zustimmen möchte, kann dies entsprechend äußern und anschließend eine Einzelklage gegen VW führen. Innerhalb der Musterfeststellungsklage hat der einzelne Betroffene nur geringe Mitwirkungsrechte. Er wird über die Klageschrift und über den Ausgang des Verfahrens informiert. Kommt es zu einem Vergleich, kann er innerhalb eines Monats entscheiden, ob er diesem zustimmt. Der Vergleich wird für alle Beteiligten wirksam, wenn weniger als 30 Prozent der angemeldeten Verbraucher ihren Austritt aus dem Vergleich erklärt haben.
Der VZBV will gerichtlich feststellen lassen, dass der Volkswagen-Konzern durch Einsatz von Manipulationssoftware Verbraucher vorsätzlich geschädigt hat. Geklärt werden soll außerdem, ob der Kaufpreis bei Fahrzeugrückgabe in voller Höhe ersetzt werden muss, beziehungsweise ob der Hersteller Schadenersatz zu zahlen hat oder ob eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer abzuziehen ist.
Die Anmeldung kann jeder Verbraucher selbst vornehmen, die Einschaltung eines Rechtsanwalts ist nicht vorgeschrieben. Eine wirksame Anmeldung der Ansprüche bewirkt die Hemmung der Verjährung. Die Anmeldung ist gerichtskostenfrei. Sollte die Musterfeststellungsklage mit einer Klagabweisung enden, so entsteht für die Anmelder keine Kostenerstattungspflicht. Die Musterfeststellungsklage ist daher frei von einem Prozesskostenrisiko. Es besteht die Möglichkeit eines Vergleichsschlusses.
Ein erhebliches Risiko für die Anmelder besteht darin, dass bei einer Anmeldung nicht gewährleistet ist, dass die Anmeldung tatsächlich die gewünschten Wirkungen erzielt, wie etwa die Verjährungshemmung. So sieht das Gesetz beispielsweise vor, dass die Anmeldung nur wirksam ist, wenn der Verbraucher in der Anmeldung (hinreichende) Angaben zu „Gegenstand und Grund des Anspruchs“ macht. Nähere Informationen zu den Anforderungen an diese Darstellung von Gegenstand und Grund des Anspruchs enthält das Gesetz nicht. Für diejenigen Verbraucher, die die Anmeldung selbst vorgenommen haben, besteht hier die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass ihre Anmeldung diesen Anforderungen nicht genügt und ihre Anmeldung damit unwirksam ist. Hierauf werden sie freilich vom Oberlandesgericht, bei dem sie die Anmeldung vornehmen, nicht hingewiesen. Das böse Erwachen könnte dann nach Abschluss des Musterverfahrens folgen, wenn die Verbraucher feststellen, dass ihre Anmeldung unwirksam war und ihre Forderungen sodann verjährt sind.
Selbst bei wirksamer Anmeldung der Ansprüche und erfolgreicher Durchführung der Musterfeststellungsklage werden die Geschädigten in einer individuellen „zweiten Runde“ ihre individuelle Anspruchsberechtigung nachweisen müssen, etwa zur Kausalität und zur individuellen Schadenshöhe. Insbesondere die individuelle Schadenshöhe wird durch die Kilometerleistung des betroffenen PKW beeinflusst. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden mehrjährigen Verfahrensdauer dürften die Schadensersatzansprüche „zusammenschmelzen“.
Aus anwaltlicher Sicht ist der unmittelbaren Erhebung einer Individualklage gegenüber der Anmeldung im Musterfeststellungsverfahren der Vorzug zu geben. Die rechtlichen Nachteile bzw. Risiken der Anmeldung überwiegen nach unserer Auffassung die Vorteile bei weitem. Wir beraten Sie hierzu gern individuell.